Die Bäckerei Stoll

Bauhofgasse 1

 

fbu Plan der Baeckerei Bestand Bauarchiv
Plan der Bäckerei, Bauarchiv
fbu Bauhofgasse 1 neu
Das Haus heute

Der 1869 geborene David Stoll führte im Haus in der Bauhofgasse eine Bäckerei. Wann genau er sie eröffnete, ist nicht bekannt, jedoch muss er die Bäckerei 1895 von dem jüdischen Bäcker K. Levi übernommen haben. Dabei erlangte er das Heimatrecht in Nördlingen erst 1898.

Die Bäckerei bestand aus dem Laden, einer Backstube und einer Mehlkammer sowie natürlich mehren Räumen, in welchen die Familie Stoll lebte.

Im Laden wurden sowohl jüdische Gebäcke, wie zum Beispiel Matzen (ein ungesäuertes Brot) und Challa (geflochtene Hefebrote) für den Sabbat verkauft, aber auch deutsche Gebäcke wie Hutzelbrot.

Die Bäckerei war immer, außer am Sabbat und an Feiertagen, geöffnet.

 

fbu Anzeige von Stoll zu Lehrjunge Inseriert 1901 vermutlich im Noerdlinger Anzeigeblatt
Nördlinger Anzeigeblatt, 1901

David Stoll stellte auch Lehrlinge ein. 1901 suchte der Bäckermeister einen Lehrjungen. So einer war Anton Mayer. Laut Walter Stoll, dem heute in den USA lebenden Enkel David Stolls, war Mayer der erste Lehrling der Bäckerei, welcher selbst kein Jude war. Er übernahm die Bäckerei nach dem Krieg.

 

Der Bäcker heiratete 1871 Frieda Stoll. Sie bekamen fünf Kinder: Betty, Thekla, Max, Resi und Martin. Sie lebten zusammen in dem Haus, bis nach und nach die meisten Kinder heirateten und schließlich alle auszogen. Betty zog nach Palästina, Resi nach Israel. Martin zog nach Paris und Max lebte zunächst in Nürnberg, wanderte später jedoch mit seiner Frau und seinen Kindern erst nach London und dann in die USA aus.

Eine Tochter fehlt nun noch, nämlich Thekla Stoll. Sie wanderte bereits in den 1920er Jahren nach New York aus. Ein paar Jahre später musste sie jedoch wieder zurück nach Deutschland, da ihre Mutter in Nördlingen einen Schlaganfall erlitt und gepflegt werden musste.

fbu Todesanzeige Frieda und Thekla Stoll Quelle mir unbekannt
Todesanzeige für die beiden Frauen, 
Quelle:
www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de 
genau siehe unten

1938 beantragten Mutter und Tochter in Nördlingen Kennkarten, mit welchen sie sicherlich ausreisen wollten. Dies gelang ihnen jedoch nicht. Sie mussten stattdessen in die Sammelunterkunft in der Frauengasse 17 umziehen. Frieda Stoll wurde am 1943 über München nach Theresienstadt gebracht. Dort starb sie im selben Jahr.

Thekla kam nach Augsburg, wo sie ab 1942 in einer Ballonfabrik arbeiten musste. 1943 wurde sie ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sie schrieb ein bekanntes und berührendes Gedicht namens „Begegnungen“ (siehe unten).

Die Familie der beiden Frauen schaltete am 3.8.1945 eine Todesanzeige in einer, in New York herausgegebenen deutsch-jüdischen Exilzeitung.

David Stoll verstarb schon am 22. Juli 1936 mit 67 Jahren. Für ihn durfte in der Zeitung keine Todesanzeige mehr erscheinen, es steht jedoch ein Grabstein für ihn und seine Frau sowie seine Tochter Thekla auf dem jüdischen Friedhof in Nördlingen. Das Grab wurde später von seinem Sohn Max errichtet. Die beiden Frauen bekamen zudem einen Stolperstein in Nördlingen, jedoch leider nicht vor ihrem eigentlichen Wohnhaus, der Bauhofgasse 1, sondern vor der Sammelunterkunft Frauengasse 17.

fbu Stolpersteine Frieda und Thekla Stoll neu
Die Stolpersteine für die Frauen 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

fehlende Bildunterschrift Gedicht Begegnungen von Thekla Stoll Quelle mir unbekannt
Das Gedicht "Begegnungen" von Thekla Stoll 

 

Quellen:
- Rolf Hofmann, http://www.alemannia-judaica.de/noerdlingen_familienblaetter.htm und http://www.alemannia-judaica.de/noerdlingen_texte.htm, 12.12.2021
- Keßler, Hermann, Die jüdische Gemeinde in der Stadt Nördlingen 1860-1942, In: Dokumentation Rieser Kulturtage, Band VII/I, 1988, S. 327-391
- Adressbuch der Stadt Nördlingen, 1895
- Bauarchiv der Stadt Nördlingen, Plan zur Einbauung eines Bäckerbackofen mit neuem schlichteren Kamin in dem Wohnhause Lit. C Nr. 134 dahier gehörig dem Herrn Levi Baeckermeister in Berlichingen bei Stuttgart“, 1889
- Bericht von Walter Stoll , E-Mail vom 19.1.2022
- Stadtarchiv Nördlingen, Bestand Kennkarten
-https://exhibits.library.du.edu/librariespresents/exhibits/show/the-lowenstein-family/survival-in-berlin--1939-1945/encounter-poem, 1.12.2021 (Brief von Thekla Stoll)
https://www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de/juf/quellen/1021/31423.jpg (Todesanzeige)

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